Vom Glauben erzählen

Predigt zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel

Für heutige Christen und Christinnen ist ein Buch, nämlich die Bibel mit dem Alten und Neuen Testament für den Glauben sehr wichtig. Dem war nicht immer so. Das Christentum ist heute eine sogenannt sekundäre Buchreligion. Unser heiliges Buch, die Bibel, wurde von vielen Menschen – von Gott inspiriert – aufgeschrieben. Doch ist nicht Gott selbst der Schreiberling, sondern Menschen sind mit ihren Glaubens-Erfahrungen die Autoren der Bibel. Bei primären Buchreligionen wäre die Heilige Schrift von Gott selbst aufgeschrieben worden.

Jesus von Nazareth kannte noch kein heiliges Buch, geschweige denn eine Bibel. Auch seine Jünger nicht. In der Synagoge wurde aus Rollen vorgelesen, vor allem die fünf Mose-Rollen sowie einige Rollen mit Prophetenbücher waren damals in der Synagoge von grosser Bedeutung. In den Evangelien wird uns ein Jesus gezeigt, der mit Menschen diskutiert und von seiner engen Beziehung mit Gott erzählt. «Denn die Worte, die du mir gabst, habe ich ihnen gegeben und sie haben sie angenommen», so hörten wir im Tages-Evangelium (Joh. 17,8). Jesus von Nazareth kommunizierte vor allem mit Worten sowie Taten und zitierte ab und zu ein Wort aus den Schriften, Rollen. Dabei scheinen es zumeist nicht langweilige Monologe gewesen zu sein, sondern oft heisse Diskussionen, Streitgespräche. Und nicht zu vergessen sind Jesu Taten, Hungrige speisen, Kranke heilen, Sünden vergeben, usw… Davon haben sich die Menschen erzählt.

Die Urgemeinde, wie wir sie in der Apostelgeschichte hörten, verharrte einmütig im Gebet (Apg. 1,14) und erinnerte sich an den verstorbenen und in ihrem Glauben auferstandenen Jesus Christus. Bücher kannten sie keine, schon gar nicht eine Bibel, wie christliche Kirchen sie heute hochhalten. Die Urchristen lebten Bibel-los. Mit der Zeit gab es Briefe zu lesen, die von Paulus und Co. geschrieben wurden. Später Evangelien usw. Noch später wurde kanonisiert.

Interessanterweise lebten die Christen und Christinnen im Mittelalter lange ziemlich Buch- und Bibel-los. Ja, bis ins 12. Jh. war es Laien verboten in der Bibel zu lesen. Zur Zeit eines Franz von Assisi, im 13. Jahrhundert, kostete eine damals noch handgeschriebene Bibel gleich viel wie ein Landwesen eines Adligen und selbst Klöster hatten nicht für jeden Mönch eine Bibel, wenn überhaupt. Alle nicht steinreichen Menschen sowie so nicht.

Apostel und Menschen des Mittelalters haben sich an Jesus von Nazareth erinnert und erzählt, Bilder betrachtet, selten gelesen. Zur Zeit eines Franz von Assisi wurden im Gottesdienst Bibelstellen vorgelesen, doch hatten Pfarrer kaum vollständige, handgeschriebene Bibelausgaben. Das wäre zu teuer gewesen. Erst mit dem Buchdruck konnten Bücher gedruckt werden. Normale Menschen lernten jedoch oft erst im 19. Jahrhundert lesen.

Nachdem im letzten Jahrhundert Radio und Fernsehen unsere Kultur sehr geprägt haben, hat sich nach 2007 mit dem Beginn des Smartphone Zeitalters einiges geändert. Radio und Fernsehen sind lineare Medien. Einer oder wenige erreichen mit ihre Botschaft viele Menschen, die nicht antworten können. Im Smartphone Zeitalter ist Interaktion zwischen vielen Menschen möglich. In Chatgruppen kann diskutiert und kommentiert werden. Einige haben mehr Erfolg gehört zu werden, andere weniger. Die soziale Kommunikation, wie man das heute nennt, kennt viele Wege und viele Arten von Kommunikation, auch von Glaubenskommunikation. Und auch die Kirchen, Kirchgemeinden und einzelne Gläubige sind aktiv und versuchen sich Gehör zu verschaffen im Markt der Religionen.

Oft wird auf religiösen Plattformen der sozialen Kommunikationsmittel an Jesus von Nazareth und an die Urchristen erinnert. Die religiöse Erfahrung der Menschen und nicht Geschriebenes, Bibel oder Dogmen stehen im Zentrum dieser Kommunikation. Christliche Influencer und Influencerinnen erzählen von ihrem Leben, ihrer Gottesbeziehung und ihrem Handeln. «Gott hat in meinem Leben gewirkt, und wie!» das scheint mir oft deren Credo. Für Kirchen gibt das einerseits Chancen, andererseits werden sie für ihre menschlichen und institutionellen Versagen auch an den Pranger gestellt. Denn auch Übergriffe werden ungefiltert und ungeschönt erzählt und kommentiert.

Erfolg ist in den sozialen Kommunikationsmittel weniger planbar und für Kirchen auch herausfordernd. Ein theologisches Diplom oder eine kirchliche Beauftragung bedeutet noch keine Breitenwirkung in den sozialen Medien. Denn die ZuhörerInnen oder der Markt der Aufmerksamkeit entscheiden über Erfolg und Misserfolg in der Verkündigung. Wirst du gepostet, gelikt oder eben nicht.

Und in all dem ermutigen mich das heutige Tagesevangelium und die Lesung. So oder so geht es zuerst nicht um Medien und Kommunikationsmittel. Zuinnerst meint Glauben eine echte und tragende Gottesbeziehung sowie das Gebet; manchmal alleine, manchmal in Gemeinschaft. Und diese Erfahrungen können kommuniziert werden. Sei das in Worten, Schriften, sozialen Kommunikationsmitteln und vor allem in Taten.

Im Zentrum stehen Menschen und deren religiösen Erfahrungen. Zuvorderst einmal ein Jesus von Nazareth, dann viele Menschen, die glaubhaft von ihrem Glauben Zeugnis geben. Und das lieber in Taten, denn in vielen Worten. Aber eben, auch Jesus von Nazareth hat in seiner Welt durch Heilungen, Vergebungen, Versöhnungen und spannende Geschichten / Gleichnisse gepunktet. Damals und heute wird vor allem über gute und religiös motivierte Taten erzählt, sei das mündlich in der Familie, am Arbeitsplatz oder eben in den sozialen Medien. Und auch kirchlich-religiöse Menschen haben das begriffen, auch Papst Franziskus oder Bischof Joseph von Chur. Zuerst geht es einmal um gute Taten, Nächstenliebe – dies auch für eine zerbeulte Kirche.

Amen.

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