Luzern, Jesuitenkirche, 18. Mai 2016, Predigt zur MittWortsMusik
Text 1
Liebe Mitfeiernde
Die Choralschola singt uns Hymnen und Antiphonen zum Hl. Burkard von Beinwil, der vermutlich am 18. Mai 1192 in Beinwil verstorben ist – in dem Jahr also, an dem die Hl. Klara von Assisi geboren wurde. In einem gesellschaftlichen Umbruch mit vielen offenen Fragen war Burkard ein volksnaher und menschenfreundlicher Pfarrer. Er wirkte heilsam in seiner Umgebung.
Als nächstes Stück wird uns die Choralschola zum heutigen Festtag eine Antiphon singen. Sie ist im biblischen Buch Jesus Sirach zu finden. Ins Deutsche übersetzt besagt die Antiphon: «Wegen seiner Treue und Bescheidenheit erwählte Gott ihn aus allen Sterblichen und zeigte ihm seine Herrlichkeit».
Zu Treue und Bescheidenheit kommt mir als Kapuziner die franziskanische Minoritas in den Sinn. Es geht im Leben vor Gott nicht darum, bei den Menschen gross herauszukommen, sondern an der Stelle vor Ort zu sein, wo Gott uns hinstellt. Schön ist es festzustellen, dass der Hl. Burkhard bei den Leuten seiner Zeit präsent war. Aber mehr noch, er wirkte unter den einfachen Menschen seiner Umgebung heilsam, so dass er schon zu seinen Lebzeiten von den Menschen heiss geliebt wurde. Ja, man munkelte sogar von Wundern.
Im Zitat aus Jesus Sirach gibt es noch eine zweite theologische Feststellung, die ich für uns heutige Erdenbüger als höchst aktuell und heilsam empfinde. Da steht, dass Gott erwählt; Burkhard von Beinwil, wie auch wir sind von Gott erwählt. Das Wissen um diese Erwählung entlastet unser Leben.
Am Sonntag habe ich mit einem Mann gesprochen, der mir von seinem Burnout erzählt hat. Er ist ein sensibler und sehr pflichtbewusster Mensch. Darum meinte er, alles im Griff haben zu müssen und alles perfekt zu erledigen zu sollen. Selbst wenn er meint, völlig cool zu sein, ist er vollkommen perfekt im Cool sein! Welch ein Stress!
In solchen und ähnlichen Situationen dürfen wir vom Hl. Burkhard lernen. Wir müssen nicht die ersten, mächtigsten und perfektesten Menschen sein. Eine gute Beziehung zu Gott sowie die Akzeptanz unserer eigenen Grenzen gehören zum Leben. Und zweitens ist es gut zu wissen, dass Gott uns in unser je eigenen Lebenssituation erwählt und uns so den Weg zur Herrlichkeit zeigt.
Hören wir nun diese Weisheiten in der Antiphon, wie sie uns die Choralschola nun singen wird: …
Text 2
Liebe Mitfeiernde
Bisher haben wir Kriegsflüchtlinge und Wirtschaftsflüchtlinge in unserem Land, bald kommen auch Klimaflüchtlinge hinzu. So konnte ich es vorgestern in der Zeitung lesen. Mir kommen dazu Dokumentarfilme in den Sinn, die von untergehenden Inseln und Ländern unserer Erde erzählen. Dabei werden die Holländer und Holländerinnen nicht die ersten Klimaflüchtlinge sein. Andere Länder sind früher vom Steigen der Weltmeere betroffen.
In Frankreich und in der Westschweiz hat in den vergangenen Monaten der Film «Demain» die Kinos gefüllt und viele Menschen betroffen gemacht. Am 26. Mai kommt dieser Film unter dem Titel «Tomorrow» auch in die Deutschschweizer Kinos. Im Pressetext zu «Tomorrow» steht: «Eine Studie hat den möglichen Zusammenbruch unserer Zivilisation bis im Jahr 2100 vorausgesagt. Mit diesem Horror-Szenario wollen sich Schauspielerin Mélanie Laurent und der französische Aktivist Cyril Dion nicht abfinden. So machen sie sich auf den Weg rund um die Welt. Sie sprechen mit Experten und besuchen Projekte und Initiativen, die alternative ökologische, wirtschaftliche und demokratische Ideen verfolgen».
Das Thema ist nicht neu. Bei Burkard von Beinwil sowie bei vielen anderen Heiligen war die Frage nach dem Umgang mit unserer Mitwelt wie auch mit unseren Mitgeschöpfen ein Thema. Nicht nur die Menschen müssen sich für den Frieden miteinander entscheiden, alle Geschöpfe dieser Welt müssen sich miteinander versöhnen.
Die Legende erzählt: «Burkhard habe eine Dohle aufgezogen; der Vogel wurde so zahm, dass er ganz zutraulich und ihm treu ergeben war. Als seine Hausgenossen während seiner Abwesenheit ein ausschweifendes Leben führten, erzählte der Vogel, was er gesehen und gehört hatte; die Bediensteten fassten daraufhin den Entschluss, das Tier zu töten, erwürgten es und warfen es in eine tiefe Grube. Bei seiner Rückkehr vermisste Burkhard die gewohnte Begrüssung durch den Vogel; er ahnte nichts Gutes, suchte nach seinem Haustier und vernahm das traurige Krächzen des sterbenden Vogels, den er daraufhin zum Leben erweckt, worauf der ihm seinen unschuldigen Tod klagte und das Verhalten der Hausgenossen beschrieb».
Gut, dass ein Vogel beim Hl. Burkard Menschen verpfeift, macht die Dohle fürs Erste nicht besonders sympathisch. Und trotzdem brauchen wir alle gemeinsam einen Lebensstil, der die Schöpfung unter unseren Ansprüchen nicht zusammenbrechen lässt. Burkard von Beinwil scheint Menschen und Tier wieder miteinander versöhnt und zum Leben erweckt zu haben. Auch der Film «Tomorrow» lässt Mélanie Laurent und Cyril Dion Aufbrüche finden, die unserer gemeinsamen Erde den Untergang erspart. In Erinnerung an Burkard von Beinwil wünsche ich uns Kraft, Ideen und Fantasie, die gemeinsame so Zukunft zu gestalten, dass Menschen, Tiere und Pflanzen in Gerechtigkeit und Frieden miteinander leben können. Amen.