Wie bin ich zu einem glaubenden Menschen geworden? Diese Frage stelle ich mir oft und vor allem bei Klosterführungen stellt sie sich stets wieder neu. Ich hatte mit 15 Jahren eine existenzialistische Phase und versuchte, den Sinn des Lebens mit Literatur und Philosophie zu ergründen. Ich fand wertvolle Gedanken, aber keine Antworten. Darum begann ich, in der Bibel zu lesen und fühlte mich darin immer mehr zu Hause. Nein, den Glauben habe ich nicht gefunden, bin aber ein glaubender Mensch geworden.
Gut, vielleicht begann meine Glaubensbiografie auch früher. Meine Eltern haben mir als Kleinkind oft Geschichten vorgelesen. Vor allem die Kurzgeschichte von Waldi, der vom Tram angefahren wurde, hat mich sehr berührt. Ich wollte sie immer wieder hören. Oder ist es vielleicht eher das Rösslein Hü̈, welches mich für den Glauben sensibilisiert hat? Diese religiösen und spirituellen Kompetenzen haben sicher meine Eltern und mein Umfeld gefördert. In der Schule und im Studium wurden diese dann auch messbar gemacht. Trotzdem staune ich immer wieder über meinen eigenen Glauben, wie auch über denjenigen von Menschen, die diesen mit mir teilen. Dabei hält sich der Glaube nicht an institutionelle Grenzen oder Gemeinschaftsformen. Wichtig ist es jedoch zu erkennen, dass der Weg Gottes mit den Menschen sehr unterschiedlich aussehen kann. Glaube lebt! Das zeigt sich schon historisch bei einem Jesus von Nazareth wie auch bei einem Franz von Assisi, geschweige bei einem Papst Franziskus.
Als Eine-Welt-Zeitschrift wendet sich diese ite-Nummer auch heutigen Glaubenszeichen und -biografien aus Lateinamerika, Afrika, Indien und der Schweiz zu. Diese faszinieren mich. Mag sein, alle Strassen führen nach Rom; alle Wege zu Gott? Zuzutrauen wäre es IHM, wie es im Kapuzinerjargon so heisst. Vielleicht entdecken Sie, liebe Leserin, lieber Leser, auch neue farbige Facetten aus Ihrer Glaubensbiografie? Möglich wäre dies!
Pace e bene
Br. Adrian Müller
Dies ist das Edito von Ite 2016/3. Vgl. www.ite-dasmagazin.ch.