Predigt vom 24.07.2022, Gen 18,20-32; Lk 11,1-3
Liebe Mitfeiernde
«Wie sage ich es meinem Kinde?» Ist eine didaktisch wichtige Frage für Eltern und Erziehungspersonen. Für Gott stellt sich diese Frage auch immer wieder neu: «Wie sage ich es meinem Menschen?» Oder hier: «Wie sage ich es dem Abraham?»
Die Lehr-Situation im Buch Genesis stelle ich mir folgendermassen vor. Der gastfreundliche Abraham und seine Frau bewirten drei fremde Männer – und wir alle – auch Abraham – wissen, dass die drei Gott sind. Mag sein, dass Abraham über die Städter in Sodom und Gomorra geklagt hat und sie weghaben möchte. Ähnlich geht es mir heute mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Er geht mir auf die Nerven und ich mag nichts mehr davon hören. Da soll doch bitte einmal einer durchgreifen und für Ordnung sorgen! Da weder mächtige Politiker:Innen noch Religionsvertreter:Innen etwas zu bewirken scheinen, soll doch Gott mal selber hingehen und durchgreifen. Oder etwa nicht?
Im Buch Genesis sagt Gott zu Abraham, dass er sich die beiden Städte mal genauer ansehen will und die drei Männer brechen nach Sodom auf. Doch jetzt geht Abraham in sich und auch wir wissen heute, dass einige Atombomben über Russland und der Ukraine die Probleme nicht wirklich lösen. Zur Problemlösung gibt es keinen roten Knopf! Abraham realisiert, dass es auch in Sodom und Gomorra gute und gerechte Menschen gibt. Und vielleicht ist er und auch wir nicht ganz lupenrein. Im Tagesevangelium lehrt uns Jesus jedenfalls auch entsprechend zu beten: «Und erlass und unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist» (Lk 11,4).
Abraham beginnt mit Gott zu verhandeln und ist mächtig stolz auf sich: «Siehe, ich habe es unternommen, mit meinem Gott zu reden, obwohl ich Staub und Asche bin» (Gen 18,27). Und Abraham nimmt allen Mut zusammen und handelt bis zu zehn Gerechten herunter. Nun, ich habe nicht den Eindruck, dass wir Menschen Gott herunterhandeln müssen, eher dass wir Menschen ab und zu unseren eigenen Zorn und Eckel, aber auch unsere Ängste und Befürchtungen etwas beruhigen müssen. Interessanterweise spricht Gott im Buch Genesis nichts von Zerstörung und Richten. Sondern: «Ich will hinabsteigen und sehen, … Ich will es wissen» (Gen 18,21). Abraham hat seine Lektion gelernt. Es gibt auch in Sodom und Gomorra gerechte Menschen, wie es diese auch in der Ukraine wie auch in Russland gibt – wenn auch ich diesen Krieg als Sünde wahrnehme und im Moment keine Lösungen für Gerechtigkeit und Frieden wüsste.
Hinsehen und Wissen nehme ich aus der wunderbaren Erzählung im Buch Genesis für heute mit. Jesus von Nazareth ergänzt im Lukas-Evangelium noch mit gemeinsam Beten, selbstkritisch sein, vergeben und sich gegenseitig unterstützen – dem Freund auch um Mitternacht Brot geben – sowie um den Heiligen Geist zu bitten.
Ich weiss, den Fisch hätte ich lieber in den Händen als nur versprochen. Und trotzdem tut es immer wieder gut, biblische Sätze zu verkosten, zu lernen, zu meditieren und manchmal zu erleben, dass sie sich auch erfüllen!
«Darum sage ich euch: Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet, und wer anklopft, dem wird geöffnet» (Lk 11,9-10).
Neun Monate nachdem die drei Männer den betagten Abraham verlassen hatten, bekam Sarah ihr erstes Kind und es entstand – so jedenfalls die Bibel – ein grosses und fruchtbares Volk. Das scheinbar unfruchtbare Ehepaar wird zu dessen Stammeltern. Was in der Begegnung noch Verheissung war, wurde zur Realität. Jesus verheisst im heutigen Tagesevangelium: «der Vater im Himmel wird den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten» (Lk 11;13). Um den Heiligen Geist bitte ich in diesen Tagen besonders gerne.
Hinsehen und Wissen, gemeinsam Beten, Selbstkritisch sein, vergeben und sich gegenseitig unterstützen sowie um den Heiligen Geist zu bitten – das sind die sieben Punkte, die mich, die uns in den kommenden Tagen begleiten können. Und vergessen sie das Bitten, Suchen und Anklopfen nicht. Da ist Gott und der Heilige Geist in allen Dingen. Vielleicht hilft das leichter und gelassener in schwierigen und herausfordernden Zeiten zu leben, ohne die Augen zu schliessen. Amen.