Wasserrad

Edito zu Ite 2015/3

Liebe Leserinnen und Leser

Missverständnisse können schmeicheln und lösen manchmal ein Schmunzeln aus. «Wow, Sie arbeiten für eine Computerzeitschrift, das ist ja cool», wurde mir gesagt. «Eine Stelle in der IT-Branche, das möchte ich auch einmal haben», sagte mir ein junger Mann. Leider musste ich ihn enttäuschen. Ite-ist das Magazin der Schweizer Kapuziner und ist keine Abkürzung wie IT (Informationstechnik), sondern kommt vom lateinischen Wort iter itineris n (ire), d.h. Gehen, Weg, Gang, Reise, Marsch, Fahrt und wurde am Ende der lateinischen Messe als Abschiedsformel verwendet: «Ite, missa est – geht, ihr seid gesandt!»

Das zweite Missverständnis, das einem Kapuziner häufig bei einer Klosterführung begegnet, betrifft einen weiteren lateinischen Fachbegriff: stabilitas loci. Benediktiner versprechen, ihr ganzes Leben im gleichen Kloster zu leben. Diese örtliche Beständigkeit wird Stabilitas loci genannt. Kapuziner versprechen diese Stabilitas loci nicht; im Gegenteil, sie verstehen sich auf Erden als Pilger im Reich Gottes und wechseln – v.a. in jüngeren Jahren – die Klöster häufig. Ich begann in Rapperswil, kam dann nach Solothurn, Luzern, Rom, Luzern, Solothurn, Rom, Rapperswil, Luzern und bin nun seit drei Jahren wieder auf dem Kapuzinerzipfel in Rapperswil gestrandet. Ferienaufenthalte in den Klöstern Brig, Mels und Olten sind da nicht mitgerechnet. Eine meiner Schwestern kommentiert: «Er war ein Vogel und bleibt es sein Leben lang.» Unter Kapuzinern ist solche Unbeständigkeit ein gutes Zeichen und zeugt von Beweglichkeit und Einsatz für den Orden – bei einem Benediktiner mit einer solchen Klosterbiographie würde man an seiner geistlichen Berufung zweifeln.

Liest man die kapuzinischen Ordensdokumente, dann ist die «Itineranz» einer der wichtigsten spirituellen Schlüsselbegriffe. Im Wörterbuch finde ich unter itineror, itinerari, dass dieses spätlateinische Wort mit «reisen» zu übersetzen sei. Falls Sie, liebe Leserinnen und Leser, einen Kapuziner kennen, der oft auf Reisen ist, dann kann ich Sie beruhigen: Er lebt gerade seine Berufung! Eben: «Für den Weg geboren». Solche Weg-Geschichten erzählt diese ite-Ausgabe.

Pace e bene

Adrian Müller

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ite_3-2015_Cover
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