Zuerst ich

«Gott hat mir Brüder geschenkt», so schreibt Franz von Assisi in seinem geistlichen Testament. Dieser Satz macht Eindruck und prägt heute mein Leben. In meinem Alltag geht mir oft durch den Sinn: «Gott hat mir Geschwister geschenkt.» Und je mehr ich mich daran ausrichte, desto offener werde ich für solche Geschenke der Begegnung und der Solidarität. Ich darf auch Mitmenschen vertrauen. Ich muss nicht alles alleine tun – und gemeinsam haben wir «Unseren Vater im Himmel».

Als Jugendlicher prägte mich das Lied «Ds Läbe isch ä Kampf u dä wetsch gwünne…». Das ist eine ganz andere Lebenseinstellung und verlangt Egoismus, ja im Extremfall Egozentrik bis zum Letzten. Geht das überhaupt, in der Welt solidarisch und christlich zu leben? In der Geschichte wurde diese Frage wiederholt mit «Nein» beantwortet. Einige Kirchen betonten, dass nur die Mönche friedlich nach der Bergpredigt leben sollen – die übrigen Christen jedoch nur mit Abstrichen. Und der Reformator Martin Luther unterschied zwei Reiche: Im privaten Leben soll man nach dem Evangelium leben, im Beruf nach den Gesetzen der Arbeit. Heute würde man sagen nach den Gesetzen des freien Marktes.

Und trotzdem sind wir Christen und Christinnen stets wieder neu auf der Suche, unseren Glauben in der aktuellen Welt solidarisch zu leben und dabei die christliche Nächsten- und Selbstliebe ernst zu nehmen. Jesus von Nazareth war ein zutiefst solidarischer Mensch. Proexistenz ist das Fachwort dafür in der Bibelwissenschaft. Jesus hat für die anderen gelebt, heilsam und versöhnend. a4/2018 befasst sich auf vielfältige Weise mit dieser Suche nach dem christlichen Tun und Leben: Solidarität und nicht Egoismus ist gesucht. Sowohl im privaten Leben wie auch in der Arbeitswelt. Dazu wünsche ich uns viel Kraft und Motivation sowie Gottes Segen.

Pace e bene

Adrian Müller

Edito von Ite 2018/4

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