Indonesien

Edito zu ITE 2024/4 Indonesien – Ein franziskanischer Rückblick

Als mir vor dreissig Jahren Br. Adjut Mathis (2023 gestorben) erstmals von seiner indonesischen Pfarrei und den vielen Gläubigen erzählte, da staunte ich. Vielleicht zwei Mal im Jahr konnte er die vielen Dörfer seiner Pfarrei besuchen. Und dazu war er stets weite Strecken auf dem Weg. Berühmt ist eine Foto des Missionars: Adjut sitzt lässig auf einem Töff, am Rücken trägt er eine Holzbränte und daran ist ein Velo festgezurrt. Solange die Strassen es erlaubten, fuhr Adjut mit dem Töff. Dann ging es zu Fuss oder mit dem Velo weiter.

Ähnliches höre ich im Moment von Br. Jakob Willi, der heute mit mir im Kloster Schwyz lebt. Sein Hauptverkehrsmittel war in Indonesien das Schiff. 2005 gehörten 226 Dörfer zu seiner Pfarrei. Sowohl bei Br. Adjut als auch bei Br. Jakob waren einheimische Katecheten, die vor Ort lebten und wirkten von sehr grosser Bedeutung.

Solche Seelsorge-Situationen scheinen eine Wirklichkeit für die Zukunft in Europa zu werden. In www.katholisch.de war am 6. Mai 2024 der Artikel «Anonym, aber notwendig: Über Sinn und Unsinn von Grosspfarreien» publiziert. Im Bistum Freiburg (DE) arbeitet man an einer Pfarreienreform, «die die Zahl der Einheiten dramatisch verringern soll: von 1000 Einzelpfarreien in 200 Seelsorgeeinheiten auf nur noch 36 Pfarreien ab 2026 – mit zum Teil über 100’000 Katholiken pro Pfarrei».

Ähnliche Fragen beschäftigen die Diözesen und die Landeskirchen in der Schweiz. Es fehlen Theologen und Theologinnen sowie Priester für die Seelsorge. Als Lösung erhofft man sich viele engagierte Freiwillige, die die Kirche in die Zukunft tragen. Vielleicht hilft uns der Blick nach Indonesien, Lösungen für schweizerische Pfarreien und Kirchenprobleme zu finden?

Als ich Br. Jakob nach seinen positiven Missionserfahrungen in Indonesien fragte, meinte er schmunzelnd, dass einer seiner grössten Erfolge als Missionar der Druck von Kirchengesangbüchern war. Viele wollten ein solches Buch – selbst wenn sie nicht lesen konnten – ergänzte er lachend. Überraschende und kreative Sichtweisen wünsche ich uns mit Blick auf die indonesische Kirche in dieser ITE-Ausgabe und dann eben solche Lösungen für die Schweiz.

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Wo wie wohnen?

Edito zu ITE 2023/2

Als Kind schien mir das Wichtigste in der Klause von Bruder Klaus im Ranft der Stein, das Kopfkissen zu sein. Der Ort, die Schlucht mit dem singenden Wasser, hatte auch eine grosse Bedeutung. Später wurde mir beigebracht, dass das Wichtigste dieser Klause die beiden Fenster sind. Das eine führt in die Kirche, zu Gott, das andere ist für die Menschen gemacht, die mit dem Heiligen sprechen wollten. Und heute betone ich gerne, dass diese Klause nicht weit von seinem Bauernhof entfernt ist; da wo Frau und Kinder weitergelebt und als Bauern ihr Leben gestaltet haben. Ach ja, wie war es mit dem WC?

Es geht in dieser ITE-Ausgabe um Orte, Umgebung, Einrichtung und Lebensformen. Dabei soll die Geschichte, das Nachdenken, unterschiedliche Kulturen sowie die Religion ihren Platz erhalten. Was ist Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wichtig beim «Wie, wo wohnen»? Solche Fragen sind nicht erst heute wichtig, sondern haben auch das religiöse Leben geprägt. Denken sie an Paulus, den Zeltemacher, der von Stadt zu Stadt gezogen ist. Dann die Wüstenväter und -mütter in Ägypten. In der Schweiz zogen die Benediktiner in die Berge oder in die grossen Wälder: Disentis, Engelberg, Einsiedeln oder Romainmôtier. Die Mönche – mono heisst einzig, einzeln, allein – wollten sich von der Welt zurückziehen, sammelten sich aus Sicherheitsgründen in Kolonien, Klöstern. Sie waren wirtschaftlich oft erfolgreich und es entstanden kleine Städte vor ihren Toren.

Der Ort beeinflusste nicht nur die Lebenskultur, sondern auch den Gebetsrhythmus. So kennt die katholische Liturgie nicht nur den Stadtrhythmus – das Gebet fängt abends an und geht mit Unterbruch bis in den Morgen (kennen wir vor allem von Osternacht und Weihnachtsabend) –, sondern auch den Mönchsrhythmus vom Morgen bis am Abend. Gefühlsmässig beginnt wohl für die meisten von uns der Tag am Morgen und endet am Abend. Bei Jugendlichen, am Wochenende oder in der Fasnachtszeit, werden wohl einige vom Abend bis am Morgen leben. Spannende Lektüre wünsche ich Ihnen.

Zehn Jahre Bischof

ITE 2023.1; Edito zu: Franziskus – zehn Jahre Bischof von Rom

Ja, es sind schon bald zehn Jahre her, als ein frischgewählter Papst den Apostolischen Palast links liegen liess und sich stattdessen im Gästehaus Santa Marta einquartierte. Er trägt ein Brustkreuz aus Eisen und nicht aus Edelmetall. Und nicht zuletzt: Als erster Bischof von Rom trägt er den Namen des heiligen Franz von Assisi: Papst Franziskus.

Vieles hat man vom neuen Bischof von Rom erhofft und erwartet. Einen anderen Stil kann man gewiss feststellen. Mit einem geschenkten und gebrauchten Renault 4 kurvt er zwischen kugelsicheren Limousinen der Grossen in der Welt herum. Doch hat er auf grosse und schwierige Fragen unserer Zeit Antworten gefunden? Sicherlich: Zum Thema Kirche und Pädophilie hat Franziskus starke Worte geäussert. Und trotzdem hat die katholische Kirche diese (System-)Krise noch nicht überwunden.

Papst Franziskus ist Lateinamerikaner mit italienischen Wurzeln. In seiner Amtszeit ist er allerdings noch nicht nach Argentinien, seinem Geburtsland, gereist. Diese a-Ausgabe stellt Fragen und gibt einige Antworten. a1/2023 ist eine echte Kapuzinernummer. Die Brüder Paul Hinder, Mauro Jöri, Niklaus Kuster, Adrian Holderegger sowie ich, Adrian Müller, haben ihren franziskanisch-kapuzinischen Blick auf den Jesuiten-Papst Franziskus geworfen. Dankbar sind wir Thomas Wallimann und Odilo Noti für ihre weite und soziale Blickrichtung.

Gespannt sind wir auch auf den synodalen Prozess in Deutschland und seine Auswirkungen auf die römisch-katholische Kirche. Doch da sind wir im Moment noch am Kaffeesatz-Lesen. Diese a-Nummer zeigt aus unterschiedlichen Perspektiven, was in den letzten zehn Jahren unter Papst Franziskus aufgebrochen und realisiert worden ist. Papst Franziskus wünschen wir weitere gute Jahre, und dass er noch einiges, was er angerissen hat, zu einem guten Ende führen kann.

Zeit und Raum

Edito zu ITE 2022.2: Immer schneller dreht das Rad des Lebens

In den Ferien pflegen viele einen anderen Lebensstil als zu Hause während ihres Alltags. Meistens ändert sich in den Ferien der Lebensort und der Tagesablauf. Ich gehe dann gerne irgendwo in der Schweiz wandern und bin froh, wenn ich keinen Wecker mitnehmen muss. Viele Menschen fahren gerne in den Süden, an die Wärme, und hoffen, am Strand und im Wasser Erholung und Musse zu finden – was Ihnen und uns allen immer wieder zu wünschen ist.

Franz von Assisi war ein kreativer Mensch, und so wird ihm einiges nachgesagt. Ich behaupte hier einmal, dass Franziskus der erste konsequente Ferientechniker war und er mir diesbezüglich ein grosses Vorbild ist. Ich kenne keinen anderen Ordensgründer, der für seine Brüder zwei Ordensregeln geschrieben hat: Eine für den Alltag in der Nähe der Stadt und eine weitere für die «Ferien» im Grünen, in der Stille. Und nach meinem Wissen hat sich der engagierte Bruder oft zwei Mal im Jahr für einen Monat in ein Eremo zurückgezogen: einmal vor Ostern und einmal vor Weihnachten.

«Jene, die als Ordensleute in Einsiedeleien verweilen wollen, sollen zu drei oder höchstens zu vier Brüdern sein … und sie sollen ein umzäuntes Stück Land haben … und sie sollen ihre Tagzeiten beten …», so ist in der Regel für Einsiedeleien zu lesen. Gedacht ist dieser alternative Lebensstil als Gegenstück zum aktiven Leben und Wirken in der Stadt. Interessant ist die klare Begrenzung für die Anzahl Brüder wie auch die Begrenzung auf einen abgelegenen Ort. Viel Raum nimmt in der Regel – hier nicht wiedergegeben – die zeitliche Planung und Durchstrukturierung des Tages ein.

Diese Regel für die Einsiedeleien kann auch heute für die Ferienplanung genutzt werden. Mit wem – Familie, lieben Menschen – mache ich wo – einem Ort anderswo – wie – mit einer klaren Tagesstruktur – Ferien. ITE 2/2022 ist keine Feriennummer, doch beschäftigt sich diese Ausgabe mit Zeit und Raum in einer Kultur der Veränderung. Das Leben, die Gesellschaft und Kultur entwickeln sich immer schneller, die Menschen begegnen sich weltweit. Davon handelt diese Ausgabe.

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