Predigt vom 21. Juli 2024; Jer 23,1-6; Mk 6,30-34
«Als Jesus ausstieg, sah er die vielen Menschen und hatte Mitleid mit Ihnen.» Aussteigen, sehen und Mitleid haben sind die drei Verben, die Jesu Handeln im Markus-Evangelium motivieren. Und die drei passen meines Erachtens exakt zu einem Ferien-Evangelium.
1. Aussteigen, das vertraute Schiff verlassen, das können Ferien bedeuten. Ich werde frei für neue Begegnungen, für andere Menschen. Dazu muss ich einen ersten Schritt tun. Dazu können Ferien auch einladen.
2. Sehen, die Augen öffnen und wach hinsehen, was sich da zeigt und sich vielleicht auch mir in den Weg stellt. Dazu braucht es Musse und Zeit. Jesus sieht die vielen Menschen, die sich am Ufer tummeln. Er nimmt sie wahr.
3. Mitleid haben, was bedeutet das? Ehrlicherweise habe ich nach einer einprägsamen und klaren Antwort gesucht, diese aber nicht gefunden. Einerseits gibt es auch das Wort Selbstmitleid – und das ist kein positives Gefühl.
In der Theologie ist vielmehr der Begriff «Barmherzigkeit» von grosser Bedeutung. Diese wird in den Weltreligionen mit Gott selbst in Verbindung gebracht – und im Christentum kennen wir dann die sieben Werke der Barmherzigkeit.
Als neutraler Begriff ist auch noch Mitgefühl zu nennen. Man kann sich Mitfreuen, aber auch Mittrauern, je nach Situation.
Mit/Leid besteht aus zwei Worten. Das «Mit» verbinden auf gleicher Ebene. Mitleiden kann man nicht von oben herab. Bildhaft geht man in denselben Schuhen wie der andere. Das «Leid» beschreibt negativ erlebte Gefühlsqualitäten.
Aussteigen, Sehen und Mitleid haben ermöglichen Jesus eine Situation zu begreifen, zu erfühlen und dann der Situation entsprechend zu handeln. Ich erinnere mich an einen Gebetsschluss von Franz von Assisi:
«Gib mir, Gott, das rechte Empfinden und Erkennen, damit ich deinen heiligen und wahrhaften Auftrag erfülle. Amen.»
Sehen und Mitleid haben, Erkennen und Empfinden laden zum Handeln ein. Und das tut dann Jesus auch. Er nimmt die Menschen in ihren Leiden und Nöten wahr und gibt die passende Antwort. «Und Jesus lehrte die Menschen lange.» Das war Jesu Antwort auf die Not der Menschen, denen er am See begegnet ist, den Schafen ohne Hirten.
Vielleicht können wir uns heute, diesen Sommer die Frage stellen, wenn wir Ferien machen, aus unserem Trubel aussteigen und etwas Ruhe und Kraft finden, welche Menschen sehen wir und zu welchem Handeln treibt uns unser Mitleiden? Und dann entsprechend handeln.
Interessanterweise spricht man heute nicht nur von Mitmenschen, sondern auch von Mitgeschöpfen oder sogar der Mitwelt. Und auch mit Tieren beispielsweise kann man Mitleid haben. Moderne Tier-Ethiken bauen gerne auf das Mitleiden mit vierbeinigen Schwestern und Brüder auf.
Offene Augen und die Fähigkeit zu echtem Mitleid, das wünsche ich uns in dieser Ferienzeit, sowie viele weise Taten an den Ufern, die wir bereisen und besuchen. Und vielleicht immer wieder das Gebet von Franziskus auf den Lippen:
«Gib mir, Gott, das rechte Empfinden und Erkennen, damit ich deinen heiligen und wahrhaften Auftrag erfülle. Amen.»