Pfingstpredigt; Apg 2,1-11; Joh 15,26-27; Joh 16,12-15
Liebe Zeugen und Zeuginnen, Schwyzer und Schwyzerinnen sowie Menschen von vielen Orten; herzlich willkommen zum heutigen Pfingst-Gottesdienst. Lassen wir uns begeistern, mitreissen und Gott preisen. Seine grosse Taten dürfen wir verkünden – so ermuntert uns die Apostelgeschichte.
«Und es erschienen ihnen Zungen, wie von Feuer, die sich verteilten, / auf jede und jeden von ihnen liess sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.»
Welch eine Wucht von Text, von Geschehen, von Erfahrung, die uns hier geschildert und verkündet wird. Aber auch überraschend, finde ich. Denn
- Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt! Nicht nur die Apostel, oder nur die Juden oder nur eine bestimmte auserwählte Gruppe. Nein, alle. Auch du und ich.
- Und dann: Sie begannen in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. Jeder und jede springt über seinen eigenen kulturellen Schatten und öffnet sich für den anderen, den Fremden, den Unbekannten. Nicht der Fremde, die Fremde muss sich mir anpassen. Ich spreche seine Sprache und öffne mich für ihn, für sie – in anderen Sprachen reden.
Lieber Gläubige, liebe Gläubige, überfordert uns hier die Apostel-Geschichte? Gerne wird gesagt, dass die Apostelgeschichte Ideale schildert, wie sie auch vor zweitausend Jahren nicht zu finden waren. Vielleicht würden wir bei der Apostelgeschichte besser von Visionen sprechen, wie sie uns vom Heiligen Geist her geweckt werden?
Ich erinnere mich an den Hinweis von Walter Ludin in der Predigt an Christi Himmelfahrt. Im Vaterunser beten wir «dein Reich komme» und meinen hoffentlich auch, was wir beten. Das Reich Gottes kommt zu uns auf Erden und meint nicht einen fernen, ja sogar himmlischen Zustand andernorts; «dein Reich komme». Auch an Pfingsten kommt der Heilige Geist zu den Menschen – und zwar im Hier und Jetzt, nicht im Irgendwo.
Pfingsten war das erklärte Lieblingsfest von Johannes XXIII. Der Papst verband mit dem Pfingstereignis die Hoffnung auf eine heilsame Erneuerung der Kirche. Ich verbinde mit Pfingsten zusätzlich eine gerechte Befriedung und Erneuerung der Welt – denn auch da muss und darf einiges heilsamer und lebenswerter werden. Die Vision der Apostelgeschichte: Alle werden vom Heiligen Geist erfüllt. Alle verstehen sich und sprechen fremde Sprachen. Menschen unterschiedlicher Kulturen, Sprachen, und vermutlich auch unterschiedlicher Religionen verstehen sich.
Im Johannesevangelium spricht Jesus vom Beistand und vom Geist der Wahrheit, der uns gesendet wird. Und was mich überrascht: «Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es nicht tragen». Wie sage ich es meinem Kinde, tönt da an. Ja vielmehr noch Wann sage ich es meinem Kinde! Gott wirkt in der Geschichte. Wir sind wie erwachsene Kinder mit ihm auf dem Weg und lernen stets Neues und Überraschendes hinzu.
Gott gestaltet Heilsgeschichte. Diese basiert auf der Vergangenheit und ist stets auf Zukunft, Entwicklung, hoffentlich auf heilsame und heilige Verbesserung angelegt. An Pfingsten werde ich daran erinnert, dass wir Menschen nicht allein auf diesem Weg, in diesem Entwicklungsprozess sind. Gott, der Geist Gottes ist mit uns, begleitet und leitet uns. Nach Pfingsten sind wir bereit, die Welt und die Schöpfung so zu gestalten, dass Leben für alle und die ganze Schöpfung möglich ist.
Der Heilige Geist wird uns in der Wahrheit leiten und erziehen, dass „Dein Wille geschehe“ und wir aufrichtig beten können: «Dein Reich komme». Und auf diesem Geist-begleiteten Weg, in diesem unserem Leben wünsche ich uns immer wieder neu Geist-erfüllte Erfahrungen des Miteinanders von Menschen wie auch von Gott mit uns Menschen.
Wenn ich die Apostelgeschichte und das Bild der fremden Sprachen ernst nehme, dann geht es nicht um eine Einheits-Sprache, ein Gleichwerden aller Menschen, sondern: «Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab». Vielfalt und Diversität höre ich in diesen Worten. Nicht nur in der Natur, sondern auch unter uns Menschen: Vielfalt und Diversität. Und so möchte ich wie folgt beten: «Dein Heiliger Geist lasse sich auf jeden und jede von uns nieder; dein Reich komme, dein Wille geschehe wie an Pfingsten so auch alle Zeit.» Amen.