Aus ITE 2025/1; Feuer: geliebt – gedeutet – gefürchtet
Die Liturgie der Osternacht lebt vom Entzünden des Osterfeuers, das wiederum als Start für weitere Handlungen dient. Interessanterweise wurde früher an einigen Orten das Feuer durch das Schlagen von Steinen entfacht. Damit sollte deutlich gemacht werden, dass mit dem Osterfeuer etwas ganz Neues entsteht. Da wird nicht nur – wie beim Olympischen Feuer – das brennende und lebendige Licht weitergetragen und weitergegeben. Nein, beim Steinschlagen entsteht ein neuer Funke und ein neues Feuer. Es ist dies ein Zeichen der Auferstehung, eines wahrlich neuen Anfangs. Es ist dies nicht bloss Übergang oder das neu entfachen einer Glut.
Die Jahreszeiten sind ein Symbol des Werdens, Vergehens und wieder neu Werdens.
In unseren Breitengraden kennen wir vier – auf einander folgende – Jahreszeiten. Auf das Absterben des Herbstes und den Tod des Winters kommt bei vielen Pflanzen das Neu-Werden des Frühlings. Es ist ein Bild des Kommens und Gehens. Selbst Menschen erleben manchmal einen weiteren, zweiten Frühling und handeln entsprechend. Die Jahreszeiten sind ein Symbol des Werdens, Vergehens und wieder neu Werdens.
Mit der Auferstehung feiern Christen und Christinnen ein echtes und einmaliges Neu-Werden in Jesus Christus: Sterben, Tod und Auferstehung.
Es geht nicht um das Gleiche im Alten, sondern um eine echte Neu-Schöpfung, um ein neues Werden. Ostern zeigt nicht die Fruchtbarkeit des Frühlings nach dem Winter, sondern das neue göttliche Leben nach dem Tod. Zuerst einmal für den verstorbenen Jesus von Nazareth, dann aber auch für alle Menschen, für die ganze Schöpfung, Erde und Himmel. Darin liegt die Hoffnung für uns Christen und Christinnen.
Weg von Draussen nach Drinnen
Normalerweise wird das Osterfeuer draussen, vor der Kirche, angezündet. Es ist dies ein sinnlicher und stiller Moment, wie er in der Liturgie eher selten vorkommt. Man steht im Kreis um das Feuer, an der Kälte sowie in der Dunkelheit, und sieht die ersten Funken springen. Die Gläubigen warten, bis das Feuer richtig brennt. Dieser Vorgang kann kaum beschleunigt werden – und wer dies mit Petroleum versuchte, würde sich selbst disqualifizieren. Die Gemeinschaft schweigt und hört dem Knistern der Holzscheite zu. Dunkelheit und Kälte können sich ausbreiten – das gilt auch für das Feuer. Licht und Wärme breiten sich nun aus.
Wenn alles Holz brennt und lodert – das Osterfeuer soll die dunkle Nacht erleuchten! –, wird das Feuer gesegnet und die Osterkerze daran entzündet. An der brennenden Kerze entzünden die Mitfeiernden ihre eigenen Kerzen. Anschliessend wird die Osterkerze mit dem Ruf «Licht Christi» in die möglichst dunkle Kirche getragen. Was nützt eine Kirche, wenn sie nicht vom Licht Gottes erhellt wird?! Die brennende Osterkerze symbolisiert Christus als Licht für die Menschen und die Welt.
Vom Frühlings- zum Osterfeuer
Das Christentum ist nicht im religionsfreien Raum entstanden. Und es ist nicht nur das Judentum, welches das Christentum und seine Feiern geprägt hat. Im Judentum sind mehrarmige Leuchter von grosser Bedeutung. Der siebenarmige Leuchter ist eines seiner wichtigsten religiösen Symbole. Für das achttägige Lichterfest wird ein acht- oder neunarmiger Leuchter verwendet. Im Christentum ist die Osterkerze in Rom seit dem fünften Jahrhundert nachgewiesen.
Christliche Missionare nahmen den germanischen Brauch des Frühlingsfeuers auf und integrierten das Osterfeuer in die christliche Liturgie.
Zu Ehren Wodans, des Hauptgottes in der nordischen und kontinentalgermanischen Mythologie, wurden Frühlingsfeuer entzündet. Wodan ist der bestbezeugte Gott bei den germanischen Stämmen und Völkern der Wanderungszeit. Christliche Missionare nahmen vermutlich diesen Brauch auf und integrierten im achten Jahrhundert das Osterfeuer in die christliche Liturgie. Seit dem zehnten Jahrhundert kennt man Segensgebete für das Osterfeuer.