Andere Bilder / Kommunikation

ITE 2023/1 war zu zehn Jahre Papst Franziskus. Edito und das ganze Heft können hier heruntergeladen werden. Der Grundsatzartikel von damals ist auch heute noch lesenswert und erhellend:

Nomen est omen: Papstnamen sind Programme. Benedikt XVI. – Joseph Ratzinger war von 2005 bis zum 11. Februar 2013 im Amt – ist der 16. Papst mit dem Namen Benedikt und bezieht sich auf einen mittelalterlichen Mönchsvater und Ordensgründer. Und Papst Franziskus, gewählt am 13. März 2013, ist der erste Papst, der sich auf Franz von Assisi beruft. Als Argentinier ist er der erste gebürtige Nichteuropäer seit dem 8. Jahrhundert, nämlich Lateinamerikaner. Vor seiner Wahl arbeitete der Erzbischof von Buenos Aires als Seelsorger und nicht als Berufstheologe oder an der Kurie.

Als Jugendlicher las ich von Joseph Ratzinger die Einführung ins Christentum. Vor allem eine Bildbeschreibung daraus ist mir geblieben und hat mein Leben damals beeinflusst. Ratzinger schreibt von der «Bedrohung der Ungewissheit» und von der «Brüchigkeit des Ganzen». Auf Seite 37 liest man über «die einzige Alternative»: «Paul Claudel hat in der Eröffnungsszene des ‹Seidenen Schuhs› diese Situation des Glaubenden in eine grosse und überzeugende Bildvision gebannt. Ein Jesuitenmissionar, Bruder des Helden Rodrigo, Weltmann, irrender und ungewisser Abenteurer zwischen Gott und Welt, wird als Schiffbrüchiger dargestellt. Sein Schiff wurde von Seeräubern versenkt, er selbst an einen Balken des gesunkenen Schiffs gebunden und so treibt er nun an diesem Stück Holz im tosenden Wasser des Ozeans.»

Dieses Bild hat mich als Jugendlicher so sehr beschäftigt, dass ich es malte und es lange im Zimmer aufhängte. Es war dies ein Lebens- und Glaubensbild, das mich in meiner Jugend begleitete, bis mir die franziskanisch-kapuzinische Lebensweise ein anderes Lebensgefühl vermitteln konnte. Ich denke, dass man diese Veränderung des Lebensgefühls auch bei den beiden Päpsten finden kann. Denn Franz von Assisi – und nicht mehr Benedikt von Nursia – steht für Jorge Mario Bergoglio Pate.

Maria, die Knotenlöserin
Interessanterweise fand ich später von Jorge Mario Bergoglio ein anderes Bild, dass mich bis heute begleitet und das mehr Hoffnung ausdrückt. Auch dieses Bild fand ich in einem Buch, jedoch nicht in einer theologischen Abhandlung, sondern in einem langen Interview: Papst Franziskus. Mein Leben, mein Weg. El Jesuita. Die Gespräche mit Jorge Mario Bergoglio von Sergio Rubin und Francesca Ambrogetti. Die Erstveröffentlichung in Spanisch war 2010 und erfolgte somit noch vor der Papstwahl.

Jorge Maria Bergoglio, der auch in Deutschland studiert hatte, bekam von einer deutschen Frau eine Postkarte mit dem Bild Maria Knotenlöserin aus der Jesuitenkirche St. Peter am Perlach zugeschickt. Bergoglio, der in Deutschland nicht nur einfache Zeiten erlebte, war fasziniert und sehr angetan von diesem Bild. Er nahm das Motiv mit nach Buenos Aires zurück und verbreitete es. Seine Priesteramtskandidaten schickte er mit diesem Bild in die Armenviertel von Buenos Aires. In der Kirche San José del Talar (Buenos Aires, Argentinien) hängt heute sogar eine Kopie des Bildes von St. Peter am Perlach, das an jedem Achten des Monats viele Pilger anzieht. Heute ist Maria Knotenlöserin «ein Bild, dessen Verehrung zu einem ausgesprochen populären Phänomen der Volksfrömmigkeit in Buenos Aires geworden ist» (S. 23). Auch im Gästehaus des Vatikans, Casa Santa Maria, wo Papst Franziskus eingezogen ist – statt im Palast zu residieren – sowie auf der 50-Euro-Goldmünze der Vatikanstadt von 2017 findet sich eine Darstellung der Knotenlöserin. Nun, Knoten gab es in der Regierungszeit von Franziskus bis heute einige zu lösen. Ob er dies gemacht hat und wie er es tat, darüber will diese ITE-Ausgabe einige Aspekte aufgreifen und beantworten.

Zuhören und antworten
Joseph Ratzinger hat viele theologische Bücher geschrieben, gelehrt und mit seiner Lehre Politik gemacht. Jorge Mario Bergoglio hat bei seinem Amtsantritt auf das Buch eines anderen Theologen verwiesen: Barmherzigkeit. Grundbegriff des Evangeliums – Schlüssel christlichen Lebens von Walter Kardinal Kasper. Auch wenn es Leute gibt, die über die Theologie von Papst Franziskus die Nase rümpfen, dann sehe ich in seinen Interviews und Begegnungen einen Menschen, der sowohl ein theologisch wie auch ein kulturell vielfältiges Wissen hat. Dieses wird jedoch zumeist dialogisch umgesetzt. Hinzu kommt, dass der jetzige Papst nicht nur mit Theologen diskutiert – vgl. den Schülerkreis von Joseph Ratzinger –, sondern auch Journalisten und vor allem Menschen am Rande der Gesellschaft zuhörend beachtet.

2022 kam das Interview-Buch Papst Franziskus. Ich trage euch im Herzen. Meine Antworten auf die Fragen der Armen dieser Welt. in die Buchhandlungen. Da hört einer zu und gibt nicht Antworten auf Fragen, die niemand gestellt hat oder niemanden interessiert. Die Worte von Papst Franziskus sind allgemeinverständlich, auch für die Ungebildeten dieser Welt.

Sibylle de Malet, Pierre Durieux und Loïc Luisetto haben die Inhalte des Buches koordiniert: «So machten wir uns daran, Fragen von armen Menschen aus der ganzen Welt zu sammeln. Dabei wurden wir unterstützt von befreundeten karitativen Vereinigungen auf fünf Kontinenten. Innerhalb weniger Wochen erhielten wir mehr als tausend Fragen von Kindern aus den Elendsvierteln Brasiliens, von Frauen aus dem indischen Flachland, von jungen Menschen aus der iranischen Wüste, von amerikanischen Obdachlosen, von Prostituierten aus Asien, von madagassischen Familien … und einige anonymisiert, da diese Menschen als Christen fürchten, in ihrem Land verfolgt zu werden» (S.8). Im Folgenden einige Perlen dieses Buches, das ursprünglich auf Französisch erschienen ist:

Felipe aus González Catán, Argentinien
Als Sie von Jesus den Ruf erhielten, Papst zu werden, was kam Ihnen da als Erstes in den Sinn?
Was genau ich in diesem Moment dachte, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. In so einem Augenblick denkt man an gar nichts … (S. 22)

Rodrigo aus Huechuraba, Chile
Papst Franziskus, wohin geht eigentlich das Geld des Vatikans?
Von diesem Geld werden Schulden bezahlt. Und Gott ist wirklich gut, richtig gut. Denn ist eine Gemeinde oder eine religiöse Einrichtung nicht arm – obwohl sie es sein sollte – und verwaltet ihr Geld schlecht, dann schickt er ihr in der Regel einen schlechten Wirtschafter, sodass es zu Katastrophen und schliesslich zum Bankrott kommt. Das Geld des Vatikans – oder vielmehr das Geld, das der Vatikan haben sollte – ist für gute Werke und für Mittel zur Verkündigung des Evangeliums gedacht. Das geschieht auch mit einem Teil des Geldes. Doch derzeit kann man in den Zeitungen lesen, dass ein Prozess gegen dreizehn Personen des Vatikans bevorsteht, denen Betrug und finanzielle Delikte vorgeworfen werden. Und es ist nicht das erste Mal, dass so etwas vorkommt. Dass Männer der Kirche – Priester, Bischöfe, Kardinäle – in Luxuslimousinen durch die Gegend fahren, statt beispielhaft in Armut zu leben, tut mir weh. Sie geben ein extrem negatives Zeugnis ab. Und obschon viele Menschen im Vatikan – Kardinäle wie Bischöfe – arm sind, dominiert doch das Bild vom Prunk und Pomp. Der Vatikan braucht hier eine kontinuierliche Bekehrung, um sich nicht in den Fängen des Reichtums und der Macht zu verstricken. (S.36)

Jesús
Warum fällt es uns Menschen so schwer, liebevoll zu sein, und warum ist das seit jeher so?
Theologen würden antworten, das liegt an der Erbsünde. Wir haben einfach einen grundlegenden Fehler: unseren Egoismus. Mithilfe des Heiligen Geistes, der in uns wohnt, bemühen wir uns zwar darum, diesen Fehler zu heilen, aber wir haben alle diese Tendenz zum Bösen in uns. Wäre es anders, würde ich morgen die ganze Welt heiligsprechen. (lacht) (S.40)

Cyrus aus Qom, Iran
Manche Gemeinschaften, die sich auf die Bibel stützen, lehnen Homosexuelle ab. Wie denken Sie darüber?
Die Bibel muss gut gelesen und interpretiert werden. Gott liebt jeden Mann und jede Frau unabhängig von seiner bzw. ihrer sexuellen Orientierung. Und ich habe schon mehrfach gesagt: Wer bin ich, dass ich eine Person aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verurteile?
Vor ein paar Tagen haben wir eine Impfkampagne gegen das Coronavirus organisiert für Menschen, die auf der Strasse leben, und für die Armen von Rom. Das waren drei intensive Tage. Jede Person wurde sehr respektvoll behandelt. Dann trafen zwei Busse ein, in denen sich transsexuelle Personen befanden. Einige Leute, die vor Ort waren, warnten dann den Kardinal, der sich um die Kampagne kümmerte – übrigens ein Kardinal, den ihr niemals in roten Gewändern, sondern immer mit Hose und Jacke sehen werdet – mit den Worten: «Vorsicht! Da kommen Transsexuelle …!» – «Impft sie!», rief der Kardinal sofort. Und er fügte hinzu: «Nur eine Sache noch: Fragt sie nicht, ob sie Mann oder Frau sind, um sie nicht zu kränken.» Alle haben ihren Platz im Haus Gottes. Alle.
Jedes Mal, wenn ich mit einer solchen Situation konfrontiert werde, muss ich an Jesus denken und an seinen Willen, uns alle zu retten. Das bringt mich dazu, in jeder Person eine Schwester oder einen Bruder zu sehen – so einfach ist das.
Es irritiert mich, wenn man die Probleme der Menschen derart hervorhebt. Man tut ihnen damit Unrecht, und sie leiden darunter. Wir müssen ihnen gegenüber sehr, sehr respektvoll sein, und wir müssen untereinander respektvoll sein. (S. 74)

War bei mir der Geist dabei?

Predigt zu Taufe des Herrn; Apg 10,34-38; Lk 3,15-16.21-22

Eine erste Erfahrung: Letzten November reiste ich ins Kapuziner-Kloster Meran in die Ferien. Im Bus ab Mals setzte sich eine Jesus begeisterte Frau neben mich. Sie besucht wöchentlich eine Christengemeinde und kam schnell auf ihre Geisttaufe zu sprechen. Sie weiss genau, wann und wo sie vom Heiligen Geist getauft wurde, und seither ist sie Christin. Natürlich wollte sie auch von mir wissen, wann und wo ich vom Heiligen Geist getauft worden sei. Darauf habe ich leider keine genaue Antwort. Ich wurde als Säugling getauft und kann mich nicht an meine Taufe erinnern. Meine Eltern tauften mich – und ich bin ihnen heute dankbar für diese Entscheidung. Mit Worten, Wasser und Taufhandlung wurde ich getauft. Natürlich würde ich vermuten, dass der Heilige Geist auch dabei war.
Eine zweite Erfahrung: Letze Woche hörte ich einen Podcast über eine Online-Kirche. Alles geschieht bei ihr online, im Internet. Da gibt es Pfarrer und Pfarrerinnen, die betreiben Seelsorge wie auch die Sakramente im Netz. Auf der Homepage kann man Porträts dieser Pfarrer:innen sehen und einen dazugehörenden Avatar. Auch der Täufling muss sich im virtuellen Raum einen Avatar aussuchen und nach entsprechender Online-Taufkatechese gibt es eine Online-Taufe. Der Journalist fragte natürlich, ob eine solche Taufe theologisch überhaupt möglich sei? «Natürlich,» war die Antwort. «Der Heilige Geist kann wirken, wo er will, auch in einem Online-Room; auch im World Wide Web!» Er weht, wo er will.
Im heutigen Tagesevangelium sagt Johannes der Täufer: «Ich taufe euch mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, … Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.» Und später erzählt dieses Tagesevangelium wie der Heilige Geist auf Jesus herabkam. Jesus bekam nach dem Lukasevangelium eine Wassertaufe, den Heiligen Geist und ein Wort Gottes zugesagt: «Du bist mein geliebter Sohn.» Interessanterweise spricht Petrus in der heutigen Tageslesung der Apostelgeschichte, nicht von Jesu Taufe, sondern: «wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, …»
Für viele christliche Kirchen und Christ:innen heute ist klar, dass man durch die Taufe Christ wird. Ein kleiner Blick in die Religionen: Im Islam wird man ein Gläubiger, indem man die erste Sure (Al-Fatiha – Die Eröffnende) betet und das Gesagte auch entsprechend bekennt. Grundsätzlich wird ein Kind einer jüdischen Mutter jüdisch. Es gibt Möglichkeiten der Konversion zum Judentum.
Aber wie steht es nun mit der Taufe und deren gegenseitigen Anerkennung unter den unterschiedlichen Konfessionen? Wichtig ist mir persönlich die gegenseitige Anerkennung der Taufe von mehreren Kirchen. Zu nennen sind vor allem die Lima-Erklärung (Peru) von 1982 oder die Magdeburger-Erklärung von 2007. In der Magdeburger-Erklärung steht:
Jesus Christus ist unser Heil. Durch ihn hat Gott die Gottesferne des Sünders überwunden (Römer 5,10), um uns zu Söhnen und Töchtern Gottes zu machen. Als Teilhabe am Geheimnis von Christi Tod und Auferstehung bedeutet die Taufe Neugeburt in Jesus Christus. Wer dieses Sakrament empfängt und im Glauben Gottes Liebe bejaht, wird mit Christus und zugleich mit seinem Volk aller Zeiten und Orte vereint. Als ein Zeichen der Einheit aller Christen verbindet die Taufe mit Jesus Christus, dem Fundament dieser Einheit. Trotz Unterschieden im Verständnis von Kirche besteht zwischen uns ein Grundeinverständnis über die Taufe.
Deshalb erkennen wir jede nach dem Auftrag Jesu im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Zeichenhandlung des Untertauchens im Wasser bzw. des Übergießens mit Wasser vollzogene Taufe an und freuen uns über jeden Menschen, der getauft wird. Diese wechselseitige Anerkennung der Taufe ist Ausdruck des in Jesus Christus gründenden Bandes der Einheit (Epheser 4,4–6). Die so vollzogene Taufe ist einmalig und unwiederholbar.

Dem Text dieser Vereinbarung stimmten zu:
• Römisch-katholische Kirche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz
• Evangelische Kirche in Deutschland
• Orthodoxe Kirche in Deutschland
• Evangelisch-methodistische Kirche
• Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche
• Armenisch-Apostolische Orthodoxe Kirche in Deutschland
• Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland
• Äthiopisch-Orthodoxe Kirche in Deutschland
• Evangelisch-altreformierte Kirche in Niedersachsen
• Evangelische Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeinde
• Arbeitsgemeinschaft Anglikanisch-Episkopaler Gemeinden in Deutschland
Liebe getaufte Christen und Christinnen, das war nun die kirchen-theologische Sicht auf Taufe und Christsein. Ich selber will niemandem das Christsein absprechen. Und so, wenn mir jemand sagt, er oder sie sei Christ:in, dann ist dem für mich so.
Die Taufe – auch meine eigene Taufe als Säugling – halte ich hoch und sehe darin vor allem die Aufnahme in die Gemeinschaft der römisch-katholische Kirche, verbunden mit anderen Kirchen. Für mein Christsein, vielleicht besser für meine Jesusnachfolge bemühe ich mich jeden Tag wieder neu.
Meine eigene Taufe sagt mir vor allem, dass Gott und meine Familie ja gesagt haben zu mir. Und das ist schön. Und als gefirmter Christ ist mir dabei wichtig, meinen Glauben verantwortungsbewusst zu leben und stets offen für neue göttliche Initiativen zu bleiben.

Hörend – mitgehend – handeln

Predigt vom 3. November 2024, Mk 12,28-34; Dtn 6,2-6

«Und es trat zu Jesus einer der Schriftgelehrten, der zugehört hatte, wie Jesus und die Sadduzäer miteinander stritten. Als der Schriftgelehrte sah, dass Jesus den Sadduzäern gut geantwortet hatte, fragte er Jesus: Welches ist das höchste Gebot von allen?» So beginnt der Evangelist Markus das heutige Sonntagsevangelium bei Mk 12,28. Der Schriftgelehrte zeichnet sich durch Zuhören und Aufmerksamkeit aus. Das Streiten der anderen schreckt ihn nicht ab. Im Gegenteil. Darin liegt das gemeinsame Suchen. Gutes, offenes, ja verstehendes Zuhören ist dem Evangelist Markus ein Anliegen. Mehrmals kommt das in seinem Evangelium vor. Beispielsweise der Satz «Wer Ohren hat zu hören, der höre!» (Mk 4,9 und 4,23)
Das gute aufmerksame Hören ist in der jüdischen Spiritualität verankert. In der heutigen Lesung hörten wir das bekannte und wichtige «Schema IsraEL»: «Höre Israel» (Dtn 6,4). Oder einen Satz früher die Aufforderung von Gott an sein Volk: «Deshalb sollst du hören» (Dtn 6,3). Hören meint Aufmerksamkeit, Achtsamkeit und entsprechendes Handeln. Hören kann verändern. Wer hinhört weiss anschliessend oft mehr als vorher. Hören ist eine Haltung des Interessens, des Lernens und vor allem der Liebe.
Im heutigen Tagesevangelium kommt ein Schriftgelehrter zu Jesus, der hingehört hat und darum etwas von Jesus hören, wissen will. Dies weil er in Jesus von Nazareth Vertrauen und Achtung gefunden hat. Der Schriftgelehrte hat Fragen; er ist offen und empfänglich!
Bei solchen biblischen Texten müssen wir Christen und Christinnen aufpassen. Oft haben wir das Gefühl, dass Pharisäer, Sadduzäer und Schriftgelehrte Jesus nur Fangfragen gestellt haben, um ihn bloss zu stellen und ihn zu bekämpfen. Im heutigen Evangelium kommt der Schriftgelehrte zu Jesus, weil er diesen echt hören will und ihn etwas herumtreibt. Der Schriftgelehrte sucht Dialog und hört hin.
«Welches Gebot ist das erste von allen?» (Mk 8,28) ist die kurze und klare Frage. Der Schriftgelehrte weiss um die jüdischen 613 Gebote und Verbote der Tora. Er kennt die Schrift und gewiss auch das Schema IsraEL. Und der Schriftgelehrte will tiefer gehen und mehr verstehen. Er will seinen Glauben vertiefen. Er ist bereit hinzuhören. Jesus antwortet pointiert.
Der hörende und verstehende Schriftgelehrte denkt mit und weiter. Es geht nicht primär um Brandopfer und andere Opfer, sondern um die Gottes-, Nächsten wie Selbstliebe. Diese Antwort des Fragestellers und Weiterdenkers wird von Jesus kommentiert: «Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr Jesus eine Frage zu stellen» (Mk 12,34).
Mir persönlich gefällt diese Erzählung aus dem Markusevangelium. Da finden zwei Hörende zum Dialog, ergänzen sich und finden zueinander und zu Gott. Sie haben sich gegenseitig bereichert und ihren Glauben genährt. Und auch die Umgebung spürt das und spielt mit. Wenn alles gesagt ist, dann ist Ruhe angesagt und diese wird nicht zerredet und gestört. Manchmal landet man beim gemeinsamen Schweigen vor Gott, auch eine Art Hören auf Gott hin. Da braucht es keine Worte mehr, sondern nur noch ein gemeinsames Hören und Verweilen bei Gott. Der menschlichen Worte waren genug, jetzt darf man gemeinsam auf Gott hören und handeln.
In den letzten Wochen fand der Abschluss eines langen und für viele Menschen intensiven Hörens und Austauschens der Weltkirche statt. Eine synodale Kirche hat auf Gott und auf ihre Getauften gehört. Die in Chur lehrende Theologin Eva Maria Faber meint: Auf der Weltsynode wurde über vieles diskutiert. Der Reformbedarf in der Kirche ist erkannt und wurde offen angesprochen. Umso mehr ist die Kirche in der Schweiz nun gefordert, die «weichen» Formulierungen des Synodendokuments in den konkreten kirchlichen Alltag auszubuchstabieren. Vgl. Redaktion kath.ch vom 28.10.2024.
Die Weltkirche hat nun auf das Leben der Ortskirchen und das Wirken des Geistes gehört und weitergedacht. Nun sind wir, die Kirche von Schwyz, dran auf die Weltkirche und unsere Lebensrealität zu hören und weiterzudenken. Da kann es immer wieder Perioden des gemeinsamen Schweigens und Suchens geben. Doch auch immer wieder neu ein Hören auf Gott, den Geist und seine Schöpfung hin. Und eben auch das richtige Handeln ist nicht zu vergessen. Dazu wünsche ich uns ein offenes Hören, das Schema IsraEL, Achtsamkeit und auch den heiligen Geist, der uns vorwärts treibt auf das Reich Gottes hin. Vielleicht hören wir dann Jesus Christus sagen: Ihr seid nicht fern vom Reich Gottes. Amen.

In anderen Sprachen sprechen

Pfingstpredigt; Apg 2,1-11; Joh 15,26-27; Joh 16,12-15

Liebe Zeugen und Zeuginnen, Schwyzer und Schwyzerinnen sowie Menschen von vielen Orten; herzlich willkommen zum heutigen Pfingst-Gottesdienst. Lassen wir uns begeistern, mitreissen und Gott preisen. Seine grosse Taten dürfen wir verkünden – so ermuntert uns die Apostelgeschichte.

«Und es erschienen ihnen Zungen, wie von Feuer, die sich verteilten, / auf jede und jeden von ihnen liess sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.»

Welch eine Wucht von Text, von Geschehen, von Erfahrung, die uns hier geschildert und verkündet wird. Aber auch überraschend, finde ich. Denn

  1. Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt! Nicht nur die Apostel, oder nur die Juden oder nur eine bestimmte auserwählte Gruppe. Nein, alle. Auch du und ich.
  2. Und dann: Sie begannen in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab. Jeder und jede springt über seinen eigenen kulturellen Schatten und öffnet sich für den anderen, den Fremden, den Unbekannten. Nicht der Fremde, die Fremde muss sich mir anpassen. Ich spreche seine Sprache und öffne mich für ihn, für sie – in anderen Sprachen reden.

Lieber Gläubige, liebe Gläubige, überfordert uns hier die Apostel-Geschichte? Gerne wird gesagt, dass die Apostelgeschichte Ideale schildert, wie sie auch vor zweitausend Jahren nicht zu finden waren. Vielleicht würden wir bei der Apostelgeschichte besser von Visionen sprechen, wie sie uns vom Heiligen Geist her geweckt werden?

Ich erinnere mich an den Hinweis von Walter Ludin in der Predigt an Christi Himmelfahrt. Im Vaterunser beten wir «dein Reich komme» und meinen hoffentlich auch, was wir beten. Das Reich Gottes kommt zu uns auf Erden und meint nicht einen fernen, ja sogar himmlischen Zustand andernorts; «dein Reich komme». Auch an Pfingsten kommt der Heilige Geist zu den Menschen – und zwar im Hier und Jetzt, nicht im Irgendwo.

Pfingsten war das erklärte Lieblingsfest von Johannes XXIII. Der Papst verband mit dem Pfingstereignis die Hoffnung auf eine heilsame Erneuerung der Kirche. Ich verbinde mit Pfingsten zusätzlich eine gerechte Befriedung und Erneuerung der Welt – denn auch da muss und darf einiges heilsamer und lebenswerter werden. Die Vision der Apostelgeschichte: Alle werden vom Heiligen Geist erfüllt. Alle verstehen sich und sprechen fremde Sprachen. Menschen unterschiedlicher Kulturen, Sprachen, und vermutlich auch unterschiedlicher Religionen verstehen sich.

Im Johannesevangelium spricht Jesus vom Beistand und vom Geist der Wahrheit, der uns gesendet wird. Und was mich überrascht: «Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es nicht tragen». Wie sage ich es meinem Kinde, tönt da an. Ja vielmehr noch Wann sage ich es meinem Kinde! Gott wirkt in der Geschichte. Wir sind wie erwachsene Kinder mit ihm auf dem Weg und lernen stets Neues und Überraschendes hinzu.

Gott gestaltet Heilsgeschichte. Diese basiert auf der Vergangenheit und ist stets auf Zukunft, Entwicklung, hoffentlich auf heilsame und heilige Verbesserung angelegt. An Pfingsten werde ich daran erinnert, dass wir Menschen nicht allein auf diesem Weg, in diesem Entwicklungsprozess sind. Gott, der Geist Gottes ist mit uns, begleitet und leitet uns. Nach Pfingsten sind wir bereit, die Welt und die Schöpfung so zu gestalten, dass Leben für alle und die ganze Schöpfung möglich ist.

Der Heilige Geist wird uns in der Wahrheit leiten und erziehen, dass „Dein Wille geschehe“ und wir aufrichtig beten können: «Dein Reich komme». Und auf diesem Geist-begleiteten Weg, in diesem unserem Leben wünsche ich uns immer wieder neu Geist-erfüllte Erfahrungen des Miteinanders von Menschen wie auch von Gott mit uns Menschen.

Wenn ich die Apostelgeschichte und das Bild der fremden Sprachen ernst nehme, dann geht es nicht um eine Einheits-Sprache, ein Gleichwerden aller Menschen, sondern: «Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab». Vielfalt und Diversität höre ich in diesen Worten. Nicht nur in der Natur, sondern auch unter uns Menschen: Vielfalt und Diversität. Und so möchte ich wie folgt beten: «Dein Heiliger Geist lasse sich auf jeden und jede von uns nieder; dein Reich komme, dein Wille geschehe wie an Pfingsten so auch alle Zeit.» Amen.

Herausforderungen für CH-Katholizismus

«Unser Pfarreirat ist wie die Schweizer Nationalelf!» Das sagte mir die kolumbianische Aktuarin des Rapperswiler Pfarreirates, als ich mit den Beteiligten über den Inhalt dieser ite-Ausgabe sprach. Ja, was wäre die Schweizer Fussballnationalmannschaft ohne all die ausgezeichneten Spieler mit Migrationshintergrund? Wie heissen doch all die herausragenden Torschützen?

Es stimmt: Auch in der römisch-katholischen Schweiz haben mehr als die Hälfte des Volkes Gottes einen Migrationshintergrund. Und wenn ich an den Einsatz von Priestern, Pastoralassistentinnen usw. mit Migrationshintergrund denke, dann bin ich ihnen sehr dankbar. Dankbar für den Einsatz und das Leben, das sie in meine, in unsere Schweizer Kirche bringen.

Ich weiss jedoch, dass solche Entwicklungen auch Veränderungen mit sich bringen, die mir persönlich vielleicht etwas weniger passen. Wenn es um die Ordination von Frauen geht oder um verheiratete Pfarrerinnen, dann empfinde ich Menschen aus anderen Kulturen manchmal als weniger aufgeschlossen. Wie steht es nun mit den Schweizer Landeskirchen und ihren demokratischen Strukturen? Menschen aus fremden Kulturen haben oft einen anderen Zugang zur Hierarchie als wir Schweizer und Schweizerinnen.

Gut, ich weiss, es gibt auch schöne Seiten, die dank Menschen aus fremden Ländern in unserer Kirche wie auch in unserer Kultur Eingang gefunden haben. Da darf man sich nicht auf die Schattenseiten fixieren. Und nicht zuletzt: Wir alle sind zusammen auf dem Weg, in steter Veränderung zu Gott hin. Das Reich Gottes ist uns von Jesus her versprochen, ob ich nun Schweizer, Peruanerin, Kroatin, Deutscher, Inder oder … bin. Wir haben ein gemeinsames Ziel. Lassen wir uns vom Geist Gottes in Liebe dahin führen!

Edito von Ite 2018/3

Propheten, Zugbegleiter, Wirte

Was sind denn professionelle Laien? Der Begriff widerspricht sich ja selber. Entweder so oder eben anders. Nun, in der römisch-katholischen Kirche ist ein „professioneller Laie“ möglich. Doch nur scheinbar. Interessanterweise ist mir die Berufsbezeichnung Prophet, Zugbegleiter und Wirt näher als die Bezeichnung Priester, Pfarrer oder sogar Hirte! Hier ein spannender Artikel zu diesem Thema.