Predigt vom 23. Oktober 2022, Weltmissionssonntag; 2 Tim 4,6-8; Lk 18,9-14
Liebe Mitfeiernde, vielleicht auch missionarische Menschen
«Die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue bewahrt.», sagt Paulus im 2. Brief an Timotheus. Da kann einer abschliessen und aufbrechen. Das macht mir Eindruck. Und zwar ist Paulus der Meinung, seine Aufgabe erfüllt zu haben. Das ist nicht Flucht oder Scheitern. Nein, Paulus hat Gottes Auftrag erfüllt. Er kann gehen. Ja sogar, Paulus hat seinen Auftrag hier auf Erden erfüllt und freut sich auf Gottes himmlisches Reich.
Als Kapuziner kenne ich auch mal die kleinen irdischen Aufbrüche. Ich war in Solothurn, Rapperswil, Luzern, Rom – doch diese Phasen sind vorbei. Jetzt bin ich hier in Schwyz und eines Tages wird auch das vorbei sein, spätestens dann, wenn auch ich mich ins himmlische Reich verabschiede.
Ich weiss, das ist oft leichter gesagt, denn überzeugend gelebt. Schon als einzelner ist das Weitergehen manchmal nicht ganz einfach. Doch für Institutionen scheint mir solches Abschiednehmen häufig noch schwieriger und komplexer zu sein. Die Jungen sollen doch übernehmen und weitertragen, heisst es gerne. Was ist aber, wenn diese Jungen nicht mehr vorhanden sind, wenn beispielsweise den Ordensgemeinschaften der Nachwuchs ausfällt? Oder wenn die Jungen mal einfach andere Wege gehen wollen, vielleicht sogar im Wandel der Zeiten andere Wege gehen müssen.
Letztes Jahr feierten wir Kapuziner 100 Jahre Mission in Tansania, dieses Jahr 100 Jahre Mission in den Seychellen und kommendes Jahr 100 Jahre Mission auf Madagaskar. Die Schweizer Kapuziner haben in den letzten Jahren viele Brüder in die Missionen geschickt. Doch heute gibt es keine jungen Schweizer Brüder mehr, die in Missionen gehen. Einige alte Missionare verbringen gut umsorgt ihren Lebensabend in den Ländern des Südens. Ob die Schweizer Provinz will oder nicht, sie muss loslassen – auch da wo die Missionen nicht nur von Erfolg gekrönt waren. Auf den Seychellen war es beispielsweise nicht möglich, eine einheimische Kapuzinerprovinz zu gründen. Man hat es zwar versucht, aber ohne Erfolg.
Können wir vertrauen, dass unsere Arbeit erfüllt ist? Paulus hat geschrieben: Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue bewahrt. Wir Kapuziner müssten heute auch sagen können: Wir Brüder haben den Menschen in Tansania, auf den Seychellen und in Madagaskar das Evangelium gebracht, unsere Arbeit getan und Gott die Treue bewahrt. Dieser Auftrag ist erfüllt.
Spannend finde ich, dass heute am Missionssonntag der Lesung von Paulus das Evangelium vom Pharisäer und vom Zöllner zur Seite gestellt wird. Lk 18,9-14. Stimmt, die Lesung könnte uns Brüder als Pharisäer dastehen lassen. Ist da denn wirklich alles gut gelaufen oder müssten wir Brüder wie der Zöllner uns an die Brust schlagen und beten: Gott sei mir Sünder gnädig; Gott sei uns Sünder gnädig. Ich weiss, es ist schöner, wie der Pharisäer zu reagieren, aber wohl ehrlicher differenziert und selbstkritisch hinzusehen. Denn da war nicht alles Gold und der Vorwurf des Kolonialismus ist leider nicht wegzuweisen. Schweizer Kapuziner waren oft die reichen Onkel und hatten ihre Boys, die für sie schufteten. Tansania stimmt an der UNO für Putin und nicht mit der Schweiz. Andererseits leben heute mehr Kapuzinerbrüder in Tansania als in der Schweiz und die Brüder aus Tansania gehen in andere Länder als Missionare Jesus Christus verkünden.
Und so ist zu hoffen, dass Jesus Christus auch zu uns Schweizer Brüder wie zum Zöllner sagt: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause hinab. Also: Ihr ginget gerechtfertigt in die Schweiz zurück. Und schön wäre es, wenn Jesus Christus uns Brüdern zusätzlich auch sagen würde: Ja, ihr habt den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue bewahrt.
Liebe Mitfeiernde, die Missionen in Tansania, auf den Seychellen und in Madagaskar waren nicht nur eine Kapuzinerangelegenheit, sondern ebenso das Werk von Ihnen, Menschen die unsere Missionare unterstützt haben und heute die jungen Kirchen vor Ort noch immer mittragen. Als Redaktor unserer Missionszeitschrift ITE weiss ich um ihre Unterstützung und um ihren guten Kampf. Da sage ich «Vergelt’s Gott». Amen