Halleluja, Jesus lebt

Ostermorgen vom 31. März 2024, Apg 10, 34a.37-43, Joh 20,1-18

Wie schön, dass wir nun wieder Halleluja sagen und vor allem singen dürfen. Ich habe das Halleluja in der Fastenzeit vermisst. Beim Beten ohne Halleluja fehlt mir etwas Wichtiges und Vertrautes. «Preiset Gott»; «Lobet Gott»; so kann Halleluja übersetzt werden. Innerhalb des Alten Testamentes kommt Halleluja vor allem im liturgischen Kontext vor. Bevorzugt in den Lobpsalmen. Und besonders an Ostern dürfen wir Gott loben von ganzem Herzen, denn «Jesus lebt». Der tot geglaubte lebt und ist auferstanden. Welch eine Hoffnung! Welch eine Freude! Welch ein Glaube!

Die Osterzeit dauert fünfzig Tage bis Pfingsten. Und in dieser Zeit dürfen wir einige Geschichten hören und meditieren, die von Ostererfahrungen handeln. Schon heute haben wir mehrere Möglichkeiten. Da kennt die Apostelgeschichte ein Dreistufen-Modell. Im Tages-Evangelium könnten wir die Erfahrungen von Petrus oder vom anderen Jünger, den Jesus liebte, genauer ansehen und betrachten. Es sind dies persönliche Oster-Erfahrungen. Ich möchte mich heute mit der Ostererfahrung von Maria von Mágdala etwas genauer auseinandersetzen. Ich sehe bei ihr fünf Phasen:

  1. Sich dem Tod, dem Negativen, dem Traurigen, der Realität stellen
  2. Offene Fragen in die Gemeinschaft tragen, teilen und mitteilen
  3. Bei sich und bei seinen Gefühlen bleiben, jedoch offen für Überraschungen, für das andere bleiben
  4. Sich vom Göttlichen ansprechen lassen und erkennen
  5. Verkünden, der Gemeinschaft Zeugnis geben

Sich dem Tod, dem Negativen, dem Traurigen, der Realität stellen

Ich habe es oft wie die Jünger und ziehe mich in schwierigen Situationen zurück, brauche Ruhe und Zeit zum Denken sowie Sortieren. Maria von Mágdala hingegen stellt sich dem Leid und sucht aktiv das Grab auf. Sie verschliesst die Augen vor dem Leid, dem Tod nicht. Sie geht zum Leichnam – und meine Erfahrung zeigt, dass bei Toten oft ein einzigartiger Frieden ist. Die Situation ist jedoch ganz anders als erwartet! Verstörend und beängstigend. Der Leichnam ist weg. Das Grab offen. Geplündert?

Offene Fragen in die Gemeinschaft tragen

Maria von Mágdala bleibt mit dem Schrecken nicht allein. Sie geht zu Freunden und teilt ihren Schreck und ihre Sorge. Dies auch auf die Gefahr hin, nicht verstanden zu werden. Und prompt, die beiden Männer lassen die Frau stehen, ohne auf ihre Not zu achten. Maria teilt ihre Erfahrung mit.

Bei sich und bei seinen Gefühlen bleiben, jedoch offen für Überraschungen, für das andere bleiben

Die beiden Männer gehen hastig ins Grab und verschwinden scheinbar schnell wieder. Sie wollen sich möglichst nicht lange an diesem traurigen Ort aufhalten. Maria von Mágdala kommt an den Ort des Grauens zurück. Interessanterweise geht sie nicht wie die Jünger ins Grab hinein, sondern sie bleibt draussen und weint, sortiert ihre Gefühle. Hat das draussen bleiben mit Respekt vor dem Heiligen, vor dem Unaussprechbaren zu tun? Ich weiss es nicht. Doch der Blick nach drinnen offenbart zwei Engel, Boten Gottes, die mit ihr sprechen, interessanterweise ohne eine Antwort zu geben. Sie lassen Maria von Mágdala ihre Sorge formulieren: Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiss nicht, wohin sie ihn gelegt haben. So geht es mir oft im Gebet, dass ich da meine Ängste und Sorgen formulieren kann.

Sich ansprechen lassen

Der Blick in die Welt, nach draussen erst gibt ihr Antwort. Als sie im Gärtner Jesus erkennen kann, erkennt Maria von Mágdala ihren Rabbúni, ihren Meister. Dabei lernt sie, dass sie den Auferstandenen nicht festhalten kann. Der Auferstandene passt in kein Schema, aber er gibt ihr einen Auftrag: Geh zu meinen Brüdern und verkündige ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. Oft zeigt mir nach dem Gebet der Blick in die Realität, ins Leben meine konkreten Aufgaben auf. Das Gebet kann dazu vorbereiten.

Verkünden, der Gemeinschaft Zeugnis geben, weitererzählen

Die Bibel verliert mit der Verkündigung der Maria von Mágdala wenige Worte. Sie, die Apostelin der Apostel braucht weder viele Worte noch Fussnoten. Die Erfahrung, das persönliche Angesprochen-Sein sind bedeutungsvoll. Sie ist ihrem Rabbúni treu und erfüllt den erhaltenen Auftrag. Marias Oster-Erfahrungs-Modell ist also:

  1. Sich dem Tod, dem Negativen, dem Traurigen, der Realität stellen
  2. Offene Fragen in die Gemeinschaft tragen, teilen und mitteilen
  3. Bei sich und bei seinen Gefühlen bleiben, jedoch offen für Überraschungen, für das andere, geheimnisvolle, das Göttliche bleiben
  4. Sich von Jesus, dem Auferstandenen ansprechen lassen
  5. Verkünden, der Gemeinschaft Zeugnis geben, weitererzählen

Halleluja, Jesus lebt, halleluja. Amen.

…, das einem Menschen entspricht

Predigt vom 24.04.2022 zum 40jährigen Priesterjubiläum von Hans Portmann, Evangelium: Johannes 20,13-31

Lieber Festtagsjubilar Hans
Liebe Schwestern und Brüder
In der Osterzeit werden uns aus den Evangelien einige Begegnungen des Auferstandenen mit Menschen erzählt. Frauen und Männer machen die Erfahrung, dass Jesus lebt, freuen sich darüber, finden Trost und Heilung.

Menschen, vielleicht vor allem Theologen und Theologinnen versuchen das zu verstehen und eine Vorstellung von den Auferstehungs-Erfahrungen zu finden. Lange habe ich das versucht und ich bin auf keinen grünen Zweig gekommen. Die einen – wie das heutige Tagesevangelium erzählt – erkennen den Auferstandenen an seinen Wunden, andere am Brotbrechen, andere am Wort und so fort. Manchmal erscheint der Auferstandene leiblich, manchmal nicht, manchmal kann man ihn berühren, manchmal läuft er durch Türen und Wände. Manchmal erkennt man ihn bloss an Symbolen wie Wunden oder gebrochenem Brot. Gerne hätte ich jedenfalls ein Bild, ein Verständnis für die Auferstehung, für den Auferstandenen gehabt. Der Verstand will verstehen.

Ich fand ein Bild in der Kunst für den Übergang vom irdischen zum auferstandenen Leben. Auf alten Krippendarstellungen ist manchmal ein Schmetterling dargestellt. Die Vorstellung ist folgende: Im Leben sind wir wie gefrässige und manchmal unruhige Raupen, dann vor der Schlüpfen, Kokonphase, geschieht Ver-Wandlung und es kämpft sich ein Schmetterling aus dem Kokon hervor. Es ist dies ein wunderbares Bild, ergreifend beim Zusehen. Ich hatte einmal zum Meditieren eine solche Raupenzucht im Zimmer. Vor dem Verpuppen rannten die Raupen nächtelang, dann das Warten, plötzlich knackte es und langsam befreite sich ein wunderbarer Schmetterling aus dem Kokon heraus, entfaltete sich und flog nach einer Weile davon. Ich staunte ab der Wandlung.

Wie ist mit den Widersprüchen in den Auferstehungs-Erzählungen umzugeben? Mein Mitbruder Norbert Seibert in Schwyz, ein halbes Jahr lang Mitnovize von mir, würde meinen: Typisch Adrian, der kann es nicht Seinlassen, immer seine Fragerei. Ja, das war im Noviziat nicht anders! Stimmt, und manchmal finde ich auch Antworten, die vielleicht nicht für die Ewigkeit geschaffen sind, aber fürs irdische Leben. Das Bild «Raupe-Schmetterling» war mir vor Jahren sehr wichtig, in den letzten Wochen sind mir zwei andere Gedanken sehr wichtig geworden, die ich euch hier gerne vorstelle:

  1. Gott kann sich in das Gewand kleiden, das einem Menschen entspricht.
  2. Gott ist noch anders als anders

Meine 1. Entdeckung:
Gott kann sich in das Gewand kleiden, das einem Menschen entspricht

Viele von Ihnen haben wohl schon sterbende Menschen begleitet. Manchmal kommt es vor, dass diese Menschen spezielle Träume oder aber auch Wach-Visionen haben. Wie ist damit umzugehen? Sind Träume nur Schäume? Darum habe ich von Simon Peng-Keller das Buch «Sinnereignisse in Todesnähe» gelesen. Er bringt viele Beispiele von Träumen und Visionen und versucht diese einzuordnen und zu deuten. Heute gibt es einen richtigen Hype zu Nahtod-Erfahrungen und dessen Deutungen. Selbst das Schweizer Fernsehen bringt immer wieder entsprechende Sendungen. Bei Simon fand ich die folgenden wunderbaren Sätze: «Dass visionäres Erleben inspiriert sein kann, gehört bis heute zu den Grundüberzeugungen gelebter Religion. Visionäres Erleben und sein Ausdruck sind ‘the stuff of inspiration’. Oder poetischer formuliert: Gott kann sich in das Gewand kleiden, das ihm die menschliche Imaginationskraft näht.»

Diese Formulierung gefällt mir sehr und macht auch Sinn. Der Auferstandene kann den Jüngern mit den Wunden erscheinen oder auch im Brechen des Brotes oder wie es einem Menschen entspricht. Durch die Gabe des Heiligen Geistes kann daraus eine Gottesbegegnung, eine Gotteserfahrung entstehen. Und so sagt der Auferstandene im heutigen Tagesevangelium auch: Empfangt den Heiligen Geist. Gott passt sich dem Menschen und seinen Vorstellungen an. Er macht sich mir, uns verständlich, ja, er kann uns begegnen! Und dazu muss Gott sich nicht in irgendwelche menschliche Konstrukte oder Vorstellungen zwängen. Er ist frei, begegnungsoffen. Nicht ich muss verstehen, sondern Gott zeigt sich mir, dir, uns, so, wie es uns entspricht.

Meine 2. Entdeckung: Gott ist noch anders als anders

Beim Dichter Andreas Knapp fand ich ein sinniges Gedicht mit dem Titel «Weisheit»: «die dinge sind, wie sie sind; wir menschen, sind erst im werden; und gott, noch anders als anders». Ja, oft ist es schnell gesagt, dass Gott anders ist, aber er soll trotzdem in unsere Kategorien hineinpassen. Und so habe ich versucht, Auferstehung und Auferstehungserfahrungen in eine menschliche Logik hineinzuzwingen, auch wenn ich ihm scheinbar sein Anders-Sein belassen habe. Wenn nicht so, dann halt so, eben anders. Materiell oder geistig; spürbar oder sehbar; visuell erkennbar oder eben nicht, leiblich oder eben körperlich, usw. Doch: Gott ist noch anders als anders. Nicht nur das andere, das zweite meiner Vorstellung. Sondern eben auch anders als meine Vorstellung vom Anders-Sein.

Und der Menschen-Vers des Gedichtes von Andreas Knapp stimmt auch, völlig: wir Menschen sind erst im Werden. Immer am Wachsen und staunen. Auch in unseren Gottes-Vorstellungen und in unserer Gottes-Beziehung, im Werden. Mit Gewinn verkoste ich das Gedicht von Andreas Knapp immer wieder neu: «die dinge sind, wie sie sind; wir menschen, sind erst im werden; und gott, noch anders als anders». Ach ja, die Dinge sind, wie sie sind. Das vergesse ich auch gerne. Nicht wie ich sie möchte!

Lieber Hans

Vierzig Jahre Priester, vierzig Jahre Sakramente feiern. Oft erfahre ich das Brotbrechen als irdisches Brotbrechen, ohne tiefere Begeisterung. Ich weiss zwar, dass … und ich kenne einige theologische Theorien zu Sakramenten und zum Brotbrechen. Dann fehlt mir der Heilige Geist und ich lebe aus der Erinnerung. Doch selten, aber immerhin, durfte ich auch schon geistbegabt zur Kommunion schreiten, und so den Auferstandenen erahnen, erspüren. Danke dir für dein Brotbrechen und deinen Dienst, in deiner Art und mit deiner dir eigenen Begeisterung. Amen.

Adrian Müller, www.adrianm.ch

Frohe Ostern

Osterbrief

Gott ist ganz anders: diese Erfahrung habe ich in diesem Winter des Öfteren gemacht, wenn ich biblische Texte meditiert habe. Manchmal ist es zum Verzweifeln: Gott und sein Wirken entsprechen in diesen Texten oft nicht meinen Vorstellungen und ich muss offene Fragen stehen lassen. Vielleicht werfen die muslimischen Glaubensgeschwister uns Christen zu Recht vor, dass wir die Tendenz hätten, unseren Gott allzu leicht zu verzwecken und zu verniedlichen. In der Liturgie beten wir zum allmächtigen Gott, obwohl uns das Leben Jesu alles andere als einen mächtigen Gott aufzeigt. Wenn ich an Mose vor dem brennenden Dornbusch denke oder an das Leben von Jesus aus Nazareth, dann fällt mir vor allem Gottes Solidarität mit den leidenden und ungerecht behandelten Menschen auf.

http://www.adrianm.ch/wordpress/wp-content/uploads/2015/04/2015.-Osterbrief-von-Br.-Adrian-Guardian-Kloster-Rapperswil.pdf