Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag, 12. Juni 2022, Spr 8,22-31; Joh 6,12-15
Liebe Christen, liebe Christinnen,
ein Gebet beginnen wir oft mit «Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes». Psalmen und andere Gebete beenden wir manchmal mit dem «Ehre sei dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist». Im liturgischen Grundsatz heisst es: «So, wie die Kirche betet, so glaubt sie». Wir glauben also die Trinität. Manchmal beten wir auch Dinge, die wir nicht verstehen oder vielleicht gar nicht wirklich verstehen können. Mir geht es oft so mit der Trinität – und heute am Dreifaltigkeitssonntag ist es wohl wieder einmal an der Zeit, sich über unseren Dreifaltigkeits-Glauben Rechenschaft zu geben.
Und diese Rechenschaft wird in den letzten Jahren wieder vermehrt von uns gefordert. Vor allem muslimische Freunde und Freundinnen fragen nach: «Glaubt ihr nun an einen oder an drei Götter?» Wir glauben an den einen Gott, das ist schnell gesagt. Und jüdische Freunde und Freundinnen weisen uns darauf hin, dass es in der hebräischen Bibel, unserem Alten Testament, gar keine Lehre der Dreifaltigkeit gäbe – und damit haben sie auch recht.
Aus dem Buch der Sprüche haben wir in der Lesung die Weisheit Gottes sprechen hören: «Gott hat mich geschaffen als Anfang seines Weges, vor seinen Werken in der Urzeit». Die Weisheit Gottes gab es also schon vor der Schöpfung der Welt. Und später kommen meine beiden Lieblingssätze dieser Perikope: «Ich war als geliebtes Kind bei Gott. Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit». Welch ein Bild. Wie ist es zu verstehen?
Im heutigen Tagesevangelium nach Johannes sagt Jesus: «Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, er wird euch in der ganzen Wahrheit leiten». Jesus selber hat noch nicht alles gesagt. Und in diesem Bibeltext heisst es auch: Alles, was mein Vater hat, ist mein;». Jesus, Geist und Vater kommen also im Johannesevangelium vor. Und trotzdem, für uns Christen und Christinnen ist es wichtig, dass wir an den einen Gott glauben. Und gerne zitieren wir dazu aus dem Buch Deuteronomium: «Höre Israel! Der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig». Und an diesem Bekenntnis kommen wir nicht vorbei und wir halten es auch hoch. Es gilt nicht nur den Juden und Jüdinnen. Und wenn wir Christen und Christinnen über die Trinität sprechen, dann stellen wir damit unseren Ein-Gott-Glauben nicht in Frage.
Ich möchte mich hier nicht in die Trinitätstheologie vertiefen. Es gibt für mich einige praktische Gründe dafür, dass wir Gebete oft mit «Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes» beginnen oder mit «Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist» beenden. Vier Punkte fallen mir ein:
- Gott bleibt uns Geheimnis: Nein, Gott lässt sich nicht auf den Punkt bringen – auch wenn wir Menschen es oft versuchen. Er ist nicht zählbar, wie es Menschen gerne hätten. Er passt nicht in unsere Ordnung der Zahlen. Er ist weder Mensch noch Mann noch Frau, eben Gott. Er bleibt das geheimnisvolle DU. Er ist anders als anders. Eins und drei – und trotzdem einzig.
- Gott ist nicht einsam, aber Begegnung in sich selber: Vor uns steht kein einsamer Gott, wie ich ein einsamer Mensch sein kann. Der EINE ist Leben und Gemeinschaft in sich selber. Mir gefällt das Bild der überschäumenden Liebe. In Gott lebt so viel Liebe, dass er diese Liebe auch nach aussen tragen will, kann; auch zu uns Menschen.
- Gott begegnet uns in der Weltgeschichte im Menschen Jesus von Nazareth: Er ist zwar in Jesus in unsere Welt und Geschichte eingetreten, aber er geht darin nicht auf; als Jesus Christus ist und bleibt er Gott – was das auch immer heissen mag. Und auch Jesus Christus ist mir ein Geheimnis. Da gibt es Menschliches, was ich erahnen, teilweise verstehen kann. Doch bleibt mir sein Gott-Sein fremd. Vielleicht ist ja schon «Gott-Sein» ein falscher Ausdruck.
- Gott ist immer bei uns, in unserer aller Herzen: «Es war meine Freude bei den Menschen zu sein». Diesen biblischen Satz muss ich wiederholen: «Es war meine Freude bei den Menschen zu sein». Schön ist Gottes Weisheit gerne bei, mit und in uns! Das tut so gut, gibt Hoffnung und Vertrauen. Aber eine konkrete Vorstellung dazu habe ich keine.
Für die Vorstellung «Gott ist mit Freude bei uns» habe ich im Hinduismus eine wunderbare Erzählung gefunden, die ich mit euch teilen, geniessen möchte. Der hinduistische Gott Krishna sehen wir auf Bildern oft Flöte spielend dargestellt Eine Erzählung dazu geht in meinen Worten so: Krishna erscheint auf der Erde als Hirt verkleidet und beginnt freudig einmalige Melodien zu spielen. Die Hirtinnen hören die himmlischen Klänge und lassen ihre Kühe sowie ihre Männer unbedient stehen, legen die Arbeit nieder und folgen dem Flötenspiel und beginnen im Takt der Flöte zu tanzen. Als viele Hirtinnen um Krishna herumtanzen, gibt es zu wenig Platz zum Tanzen und unter den Hirtinnen Streit, wer am nächsten bei Krishna sein dürfe. Diesen Streit will der göttliche Flötenspieler vermeiden; er möchte den Menschen Freude bringen. Krishna zieht sich zurück und kommt seither in ganz vielen Flöte spielenden Hirtengestalten auf die Erde und spielt jeder Hirtin ihr persönliches Lied. Er spielt allen. Und trotzdem bleibt Krishna einer. Gott kann das! Ach ja, liebe Männer, wir bleiben von diesem Tanz nicht ausgeschlossen. In Indien tragen an diesem Krishna-Gedenktag die Männer Frauenkleider und kommen so auch zum Tanz, zur Gottesbegegnung mit Krishna. Halt etwas anders als erwartet! Aber immerhin!
Zum Schluss
noch einmal meine praktischen Argumente für die Dreifaltigkeit, die
Dreieinigkeit, die Trinität:
Gott ist und bleibt uns Geheimnis
Gott ist nicht zählbar, nicht quantifizierbar im menschlichen Sinn
Gott ist nicht einsam, aber Begegnung in sich selber
Gott ist in sich überströmende Liebe
Gott begegnet uns in der Weltgeschichte im Menschen Jesus von Nazareth, aber …
Gott ist immer bei uns, in unserer aller Herzen – auch heute, bei ihnen und
bei mir. Und er bleibt trotzdem einer. Amen.